Münchner Zentrum für antike Welten
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Dissertationsprojekt

Korinthisierende figürliche Keramik aus Etrurien

Ab dem Beginn des 7. Jahrhunderts v.Chr. wurden korinthische Gefäße in Etrurien importiert, und in der zweiten Jahrhunderthälfte setzte die Produktion etruskischer Vasen nach diesen Vorbildern ein. Diese sogenannten korinthisierenden Vasen wurden zwischen ca. 630 und 540 v.Chr. hergestellt. Die grundlegende Publikation dieser Keramik wurde von János György Szilágyi vorgelegt: Er stellte etwa 3500 figürlich bemalte Vasen zusammen und ordnete diese mit der Methode der Zuschreibung verschiedenen Vasenmalern, Gruppen und Werkstätten zu, so dass sich dank dieser Arbeit die Produktion der korinthisierenden Vasen relativ gut rekonstruieren lässt und nahezu das gesamte Material für weitere Forschungen zur Verfügung steht. Ich möchte, auf dieser Arbeit aufbauend, die Erforschung der korinthisierenden figürlichen Vasen weiterführen. Für J. Gy. Szilágyi stand die Frage der Klassifizierung im Vordergrund, doch sind seit dem Erscheinen seiner Arbeit 1992 bzw. 1998 in der antiken Vasenforschung sehr viel weitergehende Fragestellungen in den Blickpunkt gerückt.

Die etruskischen Gefäße bieten eine besonders gute Möglichkeit für die seither vor allem im Fokus stehende Frage, wie und in welcher Weise die Etrusker bei der Ausbildung ihrer eigenen Kultur griechische Einflüsse rezipierten. Die materielle Kultur der Etrusker ist dadurch gekennzeichnet, dass vielfältige Anregungen aus Griechenland und dem östlichen Mittelmeerraum aufgenommen und in einer sehr eigenständigen Weise transformiert wurden. Die Frage nach den Regeln, Spielarten und Beweggründen dieser Rezeptionsprozesse in archaischer Zeit ist noch weitgehend ungeklärt, und hier verspricht vor allem die Untersuchung der korinthisierenden Vasen weiterführende Erkenntnisse.

Obwohl viele korinthisierende Vasen aus frühen Grabungen oder aus dem Kunsthandel stammen, gibt es zahlreiche Gefäße aus auswertbaren Fundkontexten. J. Gy. Szilágyi richtete hierbei den Blick ausschließlich auf die Importe aus Korinth, weil ihn vor allem die Datierung einzelner Maler und Werkstattgruppen interessierte. Die aktuellen Fragestellungen erfordern es aber, die verfügbare Fundkontexte umfassend zu analysieren. So wurde bereits für die etruskische schwarzfigurige Keramik festgestellt, dass diese Gefäße offenbar nicht einfach als Imitationen attischer Keramik für solche Kunden hergestellt wurden, die keinen Zugang für Importwaren hatten; vielmehr wurden diese Gefäße, wie entsprechende Fundkontexte zeigen, zusammen mit und in Ergänzung zu attischen Importvasen verwendet. Für diesen Fragenkomplex ist die Untersuchung der Verbindung zwischen korinthischen Importgefäßen und etruskisch-korinthisierenden Produkten von größter Bedeutung. So ist etwa die Frage noch völlig ungeklärt, warum einige etruskische Werkstätten sich zu verschiedenen Zeiten auf die Herstellung sehr weniger Vasenformen spezialisierten. Für die Erklärung dieses und anderer Phänomene ist eine systematische Analyse der Fundkontexte dringend erforderlich.

Weiterführende Erkenntnisse sind darüber hinaus hinsichtlich der Formierungsprozesse der materiellen Kultur Etruriens in archaischer Zeit zu erwarten. So steht die polychrome Gruppe der korinthisierenden Vasen in engem Zusammenhang mit der gleichzeitigen Bucchero-Keramik, wie das auffallende Dominieren der Ritztechnik in beiden Gattungen zeigt. Die polychrome Technik wurde zugleich auch von solchen Werkstätten verwendet, die vorwiegend schwarzfigurige Gefäße herstellten. Die genaue Analyse solcher Querverbindungen ist notwendig, um einerseits das Produktionsspektrum einzelner Werkstätten und andererseits die Beziehungen zwischen verschiedenen Werkstätten erfassen zu können.

Von großer Bedeutung ist schließlich die ikonographische Analyse. Ein besonders auffallendes und erklärungsbedürftiges Phänomen ist die Seltenheit von Mythenbildern, die die etruskischen Vasen markant von der gleichzeitigen korinthischen und attischen Keramik unterscheidet. Verglichen damit, ist die etruskisch-korinthische Keramik zu ihrer Zeit erstaunlich unzeitgemäß, indem fast nur Tierfriese und insgesamt sehr wenige menschliche Figuren vorkommen, obwohl die korinthischen, oder die attischen und lakonischen Importgefäße ein breites Themenspektrum – wie Bankett-, Tanz-, Athletik- oder Jagdszenen – zur Verfügung stellten. Die Verengung der Bildthemen und zugleich ihre sehr eigenständige Ausgestaltung sind nur als Ergebnis einer bewussten Auswahl zu verstehen, wobei die Mechanismen und Intentionen dieses Verfahrens sowie die Frage, inwieweit dabei die Formen und Funktionen der bildtragenden Gefäße eine Rolle spielten, noch völlig unklar sind.