Münchner Zentrum für antike Welten
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MZAW-Seminar im SoSe 2024

für Promovierende und fortgeschrittene Studierende der Altertumswissenschaften

18.04.2024

Gastprofessur für Kulturgeschichte des Altertums 2023/24

Prof. Dr. Casper de Jonge (Klassische Philologie)

Das Erhabene: Ein einflussreiches Konzept der Antike zwischen Disziplinen und Kulturen

Das ,Erhabene‘ gehört zu den einflussreichsten Begriffen, die in der Antike entwickelt wurden. Der griechische Literaturkritiker Pseudo-Longin (1. Jh.n.Chr.?) definiert das Erhabene in seiner Schrift Peri hypsous als einen Effekt in der Literatur, der die Hörer bewegt, erhebt und erschüttert. Pseudo-Longin denkt dabei in erster Linie an Textstellen (bei Homer, Plato, Demosthenes u.a.), aber erwähnt auch erhabene Skulpturen und Landschaften (Flüsse, Meer und Vulkane). Während die Schrift von Pseudo-Longin die deutlichste Artikulation der Theorie des Erhabenen in der Antike bietet, gibt es auch in der griechischen und römischen Literatur viele Vorstellungen des Erhabenen, wie James Porter (2016) gezeigt hat. Aber wie ist es mit dem Erhabenen in den antiken Kulturen von China, Mesopotamien und Ägypten? Pseudo-Longin betrachtet das Erhabene als ein interkulturelles Phänomen: Er zitiert die Geschichte von der Schöpfung von Licht und Erde aus der Hebräischen Bibel (‚Es werde Licht! Und es wurde Licht‘, Genesis 1) als Beispiel von einer erhabenen Vorstellung der Macht Gottes. Auch vergleicht er den römischen Redner Cicero mit dem griechischen Redner Demosthenes. Die Schrift vom Erhabenen lädt uns also ein, das Erhabene als ein interkulturelles oder sogar universales Phänomen zu verstehen.

In diesem Seminar werden wir nach Darstellungen und Theorien des Erhabenen suchen in den verschiedenen Kulturen der Antike von China, Mesopotamien, der Levante und Ägypten bis Griechenland und Rom. Welche Begriffe werden in den verschiedenen Kulturen benutzt für das Erhabene, und welche Vorstellungen werden damit angedeutet?

Welche Geschichten, welche Gedichte, welche Architektur und welche Statuen könnte man sinnvollerweise als ‚erhaben‘ bezeichnen? Kann Pseudo-Longin uns helfen, erhabene Momente im Alten Testament, im Gilgamesch-Epos oder auch in der chinesischen Literatur zu verstehen? Wie die europäische Rezeption des Erhabenen (von Boileau via Burke, Kant und Turner bis Lyotard) zeigt, verbindet das Erhabene nicht nur Kulturen, sondern auch (akademische) Disziplinen: Das Erhabene bewegt sich zwischen Rhetorik, Literatur, bildender Kunst, Philosophie und Theologie. Es ist darum möglich und sogar notwendig, das Erhabene aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten.

Das Seminar wird wie folgt aufgebaut sein:
1. Einleitung zum Erhabenen in der Antike und in der Moderne
2. Einleitung zu Pseudo-Longin und der Schrift Vom Erhabenen
3. Lektüre und Interpretation von Pseudo-Longin,
Vom Erhabenen (in Übersetzung)
4. Interpretationen vom Erhabenen in der griechischen und hebräischen Literatur und in der Rezeptionsgeschichte (Edmund Burke, Immanuel Kant, J.M.W. Turner)
5. Vorstellungen vom Erhabenen in den Münchener Museen
6. Mündliche Präsentationen zu einem ausgewählten Thema von den teilnehmenden Studierenden
7. Internationale Tagung in München (26.–28.06.2024).

Unterrichtssprachen sind Deutsch und Englisch.

DONNERSTAG, 14-16 Uhr, Raum 332/Schellingstr. 3 (Vhs. 3. Stock)
Beginn: 18.04.2024

JETZT anmelden unter mzaw@mzaw.lmu.de

Das Seminar richtet sich vor allem an Promovierende und fortgeschrittene Studierende der Altertumswissenschaften.

Zur Anrechnung des Seminars bei Bedarf bitte an die jeweiligen Studiengangskoordinator:innen wenden.

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